Liebe Neptun Freunde,
manchmal weiss man nie, wo es einen hintreibt.
Man denkt an nichts böses - und zack - hat das Leben einen dort, wo man eigentlich nie hin wollte.
Vor nicht allzu langer Zeit war es mal wieder so weit (manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss) und habe Freitagabends vor Wangerooge-Ost den Anker versenkt, war Samstag den ganzen Tag in Gedanken versunken vor Ort (Vendula konnte übrigens nur 10m von der Wattkante entfernt die ganze Zeit schwimmen bleiben) und Sonntag sehr früh morgens sollte es wieder gen Heimathafen gehen.
Zeit, Tide und Wetter waren so günstig, dass ich kurzentschlossen nicht anders konnte als in die mal ausnahmsweise supersanfte Blaue Balje zu segeln und mich danach vom Wind nordostwärts treiben zu lassen. Bin einigen Sandbänken ausgewichen und befand mich irgendwann - mit immerhin 25°-30° Vorhalten wg. Strömung - auf direktem Kurs zum Leuchtturm Roter Sand.
Habe eine Runde um das älteste Offshore-Bauwerk der Welt gedreht, dabei ein paar Fotos geschossen...
...und mich danach auf den Heimweg gemacht.
Mit phantastischem, gleichmäßigem, perfekt temperiertem Wind aus der besten Richtung, die man sich vorstellen kann, ging es im Zickzack-Kurs zwischen Sänden und Flachs Richtung Minsener Oog und danach Richtung Heimathafen Horumersiel.
Einer der besten Segeltage meines Lebens!
Und gleichzeitig einer der schlimmsten...
Denn ich hatte am Tag vorher eine Entscheidung getroffen: ich werde hier, in diesem Revier bleiben!
Hier, wo mich in der Vergangenheit nichts hinzog, wo man höchstens mal mit ein paar Freunden ein-zwei Jahreswechsel auf Juist verbracht hat, hier habe ich in dieser kurzen und kalten Saison mein Seglerherz verloren.
Es geht nicht mehr zurück.
Ein Teil des konsequenten Kai-Seins ist, das richtige Boot zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu haben.
Vendula Parker,
meine Neptun 25, die mich beschützt, auf mich aufgepasst und immer mit mir gesprochen hat, will nicht in diese Gegend passen.
Das hat sie mir mehrfach zu verstehen gegeben.
Sie möchte auf Binnenseen gesegelt werden, dort ist sie zuhause und - sagen wir mal so - unter sich. Gerne dreht sie auch ein paar Runden über die Schlei oder schippert gemütlich rund Fyn. Aber hier, wo nicht nur in den Menschen, sondern wo überall mehr Energie drin steckt, kommt sie an ihre Grenzen... obwohl, nein, völlig falsch ausgedrückt. Besser gesagt: ich komme hier mit ihr an meine eigenen Grenzen! Und die fühlen sich so nicht gut an.
Alles hat seine Zeit.
Vendula wurde Donnerstag verkauft.
Klaus, der neue Eigner, wird sie wieder ans Steinhuder Meer verholen.
Das beste, was ich mir je für Vendula vorstellen könnte!
./.
Parallel zum Verkauf habe ich mich um ein zum Revier passendes, anderes Boot gekümmert.
Unter wenigen angebotenen Kandidaten stach eines deutlich aufgrund ihrer Eigenschaften hervor. Die Annonce war fürchterlich, die Bilder wirklich schlimm, der Text dazu rudimentär. Aber ich wusste um die Qualitäten dieses kleinen Bootes.
Ich rief den Eigner an, machte einen Besichtigungstermin ab und kaufte das Boot nach näherer Untersuchung, ohne eine Runde damit gedreht zu haben.
Letzte Woche Dienstag fuhr ich hoch nach Brunsbüttel Alter Hafen, machte das Boot zur Überführung klar (jedenfalls soweit klar, wie ich konnte um die meisten Eventualitäten zu relativieren) und startete die Überführung aussen rum nach Horumersiel Mittwochfrüh, pünktlich 1,5 Stunden vor Hochwasser bei bestem Wetter.
Eine Rettungsinsel und "SAFE TRX", die Seenotretter-App, war übrigens mit an Bord... unbekanntes Schiff, fremde Gegend, weeste? Da kann auch bei pingeliger Vorbereitung mal was in die Hose gehen. Entsprechend hoch war meine Herzfrequenz nebst Aufregung!
Spätestens eine Stunde nach Passage CUX, in einem recht wütenden Abschnitt der Elbe (Sonntag und Montag waren hier noch 7-8bft), wusste ich um die Richtigkeit meiner Entscheidung: Vendula hätte
diese Wellen nicht
so souverän genommen. Ich saß jedenfalls völlig tiefenentspannt hinterm "Volant" und schaute genüsslich aufs Wasser. Jetzt konnte mir nichts mehr passieren.
Nach Scharhörnriff und weiträumiger Umfahrung der Nordergründe bog ich irgendwann nach Backbord in die Alte Weser, Kurs Jade ein, musste etwa 20 (!) Frachtern Vortritt lassen und hielt schliesslich Kurs auf die Mittelrinne. Den Roten Sand sah ich nochmal aus einiger Entfernung.
Direkt neben mir wurde die Gorch Fock von zwei Schleppern die Jade runter nach WHV geschleppt... und ich dachte, es wäre wegen mir so ein Gewimmel auf dem Wasser
Genau bei Sonnenuntergang habe ich in Horumersiel festgemacht.
Es ist eine der eher selten anzutreffenden LM 26 geworden. Äusserst seetüchtig! Und sie kann sogar segeln! Besser als man meint.
Schade, dass ich meine Pläne mit Vendula nicht mehr fortsetzen kann; da waren noch so viele Ideen und Vorhaben fürs kommende Winterlager!
Aber manchmal weiss man wirklich nicht, wo einen das Leben hintreibt...
In diesem Sinne,
man sieht sich auf dem Wasser!
Grüsserei,
Kai